Nature Rules: Nachhaltigkeitsrecht und Rechte für Natur als Lösung?
Ich bin viel in der Natur und beschäftige mich mit den Themen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeitswissen. Und ich kann es einfach nicht begreifen, wie unser Planet, Mutter Erde, wenn man so will, so ausbeutet werden kann. Wie ist das möglich? Da liegt es nahe sich einmal mit dem Thema Natur als Rechtssubjekt zu beschäftigen. Oder? :)
Fangen wir daher mal mit dem Thema “Nachhaltigkeit” an.
Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Schlagwort, es ist zu einem zentralen Leitprinzip geworden, das Recht, Politik und Gesellschaft gleichermaßen prägt. Doch was versteht man unter Nachhaltigkeitsrecht?
Es gibt bisher keine einheitliche, völkerrechtlich verbindliche Definition. Im Kern beschreibt Nachhaltigkeitsrecht, so etwa der Jurist Kloepfer: das Recht der nachhaltigen Entwicklung, das ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander verknüpft und nationale wie internationale Rechtsnormen umfasst. Es geht also weit über klassisches Umweltrecht hinaus und schließt völkerrechtliche Abkommen ebenso ein wie nationale Gesetze und europäische Regelungen.
In Deutschland ist Nachhaltigkeitsrecht ein Querschnittsrecht, das viele Fachgebiete umfasst: Immissionsschutzrecht, Wasserrecht, Bodenschutz- und Agrarumweltrecht, Kreislaufwirtschaftsrecht, Energierecht, Vergaberecht, Umweltökonomie und Klimaschutzrecht.
Viele deutsche Gesetze im Bereich Nachhaltigkeit stammen direkt aus EU-Richtlinien oder orientieren sich an EU-Verordnungen, die von Deutschland umgesetzt werden (müssen). Die EU fungiert also als gesetzgeberischer Taktgeber, während die Umsetzung auf nationaler Ebene erfolgt. Das Klimaschutzgesetz leitet sich z.B. direkt aus dem internationalen Pariser Klimaabkommen ab und zeigt, wie internationale Vereinbarungen national umgesetzt werden. Die Vielfalt der Bereiche macht deutlich: Nachhaltigkeitsrecht ist kein isolierter „Kasten“, sondern zieht sich durch alle Rechtsgebiete. Das Pariser Klimaabkommen und nachfolgende Beispiele zeigen, wie internationale Abkommen, EU-Recht und nationale Umsetzung praktisch zusammenwirken.
Folgende aktuelle gesetzliche Entwicklungen betreffen darüber hinaus direkt Unternehmen zur Einhaltung: Das Lieferkettengesetz (LkSG), welches besagt, dass Unternehmen Risiken in ihren Lieferketten hinsichtlich Menschenrechten und Umwelt erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen müssen (dieses Gesetz ist z.B. eine deutsche Umsetzung orientiert an EU-Vorschlägen, Corporate Due Diligence), Die Entwaldungs-Verordnung, EUDR, (EU-Due Diligence Regulation), welche direkt wirksam ist und keinen Spielraum zulässt, wie z.B. eine Richtlinie); die Nachhaltigkeitsberichterstattung, CSRD EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muss und die EU-Taxonomie-Verordnung, die definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten und Investitionen als ökologisch nachhaltig gelten.
Auf europäischer Ebene ist die EU ein Vorreiter im Nachhaltigkeitsrecht. Der Europäische Green Deal (2019) setzt ambitionierte Ziele für Klimaneutralität bis 2050, Biodiversitätsschutz und Kreislaufwirtschaft. Ergänzend sorgen das EU-Klimagesetz, die Taxonomie-Verordnung sowie Richtlinien wie die Wasserrahmenrichtlinie, Abfallrahmenrichtlinie, Luftqualitätsrichtlinie, REACH und Natura-2000 für verbindliche Standards. Das Integrationsprinzip in Art. 11 AEUV verpflichtet alle Politikfelder, Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, und zeigt: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Ziel, sondern ein rechtlich verankerter Querschnittsansatz.
Neben der EU spielt auch der Europarat (kein EU-Organ und älter als die EU; eine internationale Organisation bestehend aus Mitgliedsstaaten) eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitsrechts. Als internationale Organisation verknüpft er Menschenrechte mit ökologischen Herausforderungen und treibt die Anerkennung des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt voran. Dies geschieht durch die Entwicklung internationaler Konventionen, die Überwachung der Einhaltung von Standards durch die Mitgliedstaaten und durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Ein Meilenstein ist die Anerkennung einer intakten Umwelt als Menschenrecht, was weltweit wegweisend ist.
Auf internationaler Ebene und völkerrechtlich ist Nachhaltigkeitsrecht ein Mosaik internationaler Normen, das über nationale Gesetze hinausgeht. Völkerrecht bezeichnet das System von Regeln, das das Verhalten von Staaten und internationalen Organisationen steuert. Es schafft prinzipiell verbindliche Pflichten durch Verträge, Konventionen und Abkommen, die von Staaten ratifiziert werden. Völkerrechtliche Abkommen bilden Rahmen für globale Nachhaltigkeitspolitik. Das bekannteste, wenn auch nicht völkerrechtlich bindend, ist wohl die UN-Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs). Sie bieten einen weltweiten Leitfaden für nachhaltige Entwicklung. Zudem gibt es z.B. noch das Pariser Klimaabkommen, welches zur Formulierung nationaler Klimaziele und regelmäßiger Berichterstattung verpflichtet. sowie die Biodiversitätskonvention und das Kunming-Montreal-Abkommen, welche globale Ziele zum Schutz von Ökosystemen festlegen.
Außerdem erkannten 2021 die Vereinten Nationen das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt im Menschenrechtsrat und in 2022 in der UN-Generalversammlung als Menschenrecht an. Diese Resolutionen, die eine wichtige Verbindung zwischen Menschenrechten und Umweltschutz herstellen, sind ein Appell an Staaten und Unternehmen, das Recht auf eine gesunde Umwelt zu verwirklichen, sind aber nicht rechtlich bindend.
Achtung: Abkommen setzen zwar Standards, allerdings gilt a) dass nicht alle Staaten diese Abkommen unterzeichnen und ratifizieren und diese nur für unterzeichnende Staaten verbindlich sind und b) die Durchsetzung oft begrenzt ist. Denn Staaten können nicht dazu gezwungen werden, die Regeln umzusetzen. Vielmehr exisiteren “nur” Berichtspflichten oder diplomatischer Druck. Sodass die Hauptwirkung häufig in der politischen, normativen und moralischen Verantwortung liegt.
Zudem gibt es weltweit immer “lautere” Diskussion um Ökozide. Diskussionen über massive und weitreichende Zerstörung von Ökosystemen. Internationale Debatten zielen darauf ab, Ökozid als eigenständiges Verbrechen im Völkerstrafrecht zu verankern, ähnlich wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wer treibt die Diskussion voran? Die Vereinten Nationen und insbesondere das International Law Commission (ILC)-Gremium diskutieren Vorschläge für eine internationale Anerkennung von Ökozid. Außerdem internationale Koalitionen und NGOs: Organisationen wie Stop Ecocide, Environmental Crime Coalition, Earth Lawyers Alliance oder in Deutschland Rechte der Natur e.V. setzen sich aktiv für die Anerkennung von Ökozid als internationales Verbrechen ein. Zudem natürlich juristische ExpertInnen und VölkerrechtlerInnen. Ziele sind: Verbindliche internationale Standards (Staaten und Unternehmen sollen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie massive Umweltzerstörung verursachen); Integration in den Internationalen Strafgerichtshof (Das langfristige Ziel ist, Ökozid als fünftes Verbrechen im Römischen Statut des IStGH zu verankern, sodass Täter strafrechtlich verfolgt werden können); Globale Signalwirkung (Selbst ohne unmittelbare Strafverfolgung würde die Anerkennung von Ökozid als Völkerstraftat klare politische und normative Standards setzen).
Die internationale Diskussion um Ökozid zeigt deutlich, dass bisher ein starker rechtlicher Schutz für Ökosysteme besteht. Ein innovativer Ansatz ist also, der Natur als Rechtssubjekt eigene Rechte zuzuerkennen (ähnlich wie es bei Menschen oder juristischen Personen der Fall ist.) Das würde folgendes bedeuten: Ökosysteme, Flüsse, Wälder oder ganze Regionen könnten eigene Rechte haben, wie z. B. das Recht auf Existenz, Regeneration und Schutz vor Zerstörung und rechtliche VertreterInnen würden die Interessen der Natur vor Gericht vertreten und auf die Einhaltung dieser Rechte achten. Internationale Vorbilder sind bereits Länder wie Neuseeland (Fluss Whanganui), Ecuador (Verfassung mit Naturrechten) oder Indien (Ganges und Yamuna) haben bereits Ansätze umgesetzt, um Naturrechte juristisch zu verankern.
Fazit: Wenn die Natur eigene Rechte hätte, wäre das ein Meilenstein für Nachhaltigkeitsrecht, der die bisherigen Lücken des internationalen Rechtssystems teilweise schließen könnte!?