Botschaften indigener Frauen: Weisheiten über “Nachhaltigkeit” und ihre Herausforderungen
Was wir von indigenen Frauen lernen können
Eine Kurzvorstellung und kleiner Einblick in das Buch* “Biodiversität und Klimawandel: Botschaften indigener Frauen” der gemeinnützigen Organisation INFOE (Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie)
* ”Dieses Buch hofft einen Beitrag zu leisten zum Verständnis und der Anerkennung der wichtigen Rolle indigener Frauen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die Anpassung an den Klimawandel und den Klimaschutz sowie der damit verbundenen Notwendigkeit ihrer vollen und wirksamen Beteiligung an den entsprechenden Verhandlungen und Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen.”
“Die Beiträge indigener Frauen in diesem Buch und die Botschaften, die sie mit uns teilen, spiegeln die Vielfalt an Antworten auf die zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt wider, mit denen indigene Frauen in den verschiedenen Regionen der Erde zu kämpfen haben.”
Afrika, Burkina Faso: Saoudata Walet Aboubacrina
Saoudata Walet Aboubacrina ist eine Tuareg-Frau. Bei den Tuareg beruht die traditionelle Weltsicht auf dem Erreichen einer Harmonie zwischen dem Leben auf der Erde und dem Kosmos. Bei den Tuareg haben die menschlichen Wesen, Tiere, Pflanzen und sogar die unbelebten Dinge eine Seele und jede Seele verdient Respekt und Rücksicht. Unnötige Gewalt gegenüber Tieren und unbelebten Dingen muss aus dem Verhalten der menschlichen Wesen verbannt werden. Jedes Fehlverhalten bringt den Kosmos aus dem Gleichgewicht.
Bei der Erziehung geht es u.a. darum ein “umweltbewusstes” Kind heranzubilden, welches von den Kenntnissen über das Lebensgebiet erfüllt und mit dem Wissen und Phänomene, die oft vor Ort betrachtet werden, ausgestattet ist. Kinder sind Träger der Hoffnung und der Transparenz.
Saoudatas Botschaft: FADHI - eine indigene Vision der biologischen Vielfalt: “Es ist insbesondere Lernen unter freiem Himmel und die Beobachtung, welches Fadhi, meine Großmutter, bei ihren verschiedenen Kontakten mit den Mitgliedern ihrer Gemeinschaft bevorzugt.”Fadhi ist dank ihres fortgeschrittenen Alters eine Referenzperson geblieben für den Respekt gegenüber der biologischen Vielfalt. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten in Begleitung der anderen Frauen aus ihrer Generation hat Fadhi sich der (Heil-)Pflanzen bedient. Berücksichtigt werden auch zyklische und kulturelle Dimensionen und die ökologische Umgebung, Windrichtung, Wasserquellen etc. Fadhi ist vor allem Therapeutin. Ihr präzises Wissen beruht auf einem gewissen Bewusstsein für das Einhalten des Gleichgewichts zwischen der biologischen Vielfalt und der Notwendigkeit, ihre eigenen therapeutischen Rezepte zusammenzustellen. Das Sammeln der verwendeten Produkte wie Wurzeln, Rinde, Blätter, Blumen, verschiedene Früchte, Extremente und Urin von Tieren, Haare von Hasen, Steine usw. findet unter strenger Respektierung der Natur und Begrenzung auf den Bedarf statt. Fadhi ist gefragt und konnte von den Ältesten lernen, in einer Zeit, als der Mensch in Symbiose mit der Natur und ihrer unbegrenzten Großzügigkeit lebte.
Afrika, Demokratische Republik Kongo: Adolphine Muley
Sie ist eine Frau des indigenen Volkes der Twa, eine Volksgruppe der sog. Pygmäen, aus dem Osten der Demokratischen Republik Konto in Zentralafrika. Selbst ein Opfer von Diskriminierungen und Marginalisierung hat sie mit anderen indigenen Frauen und Männern 1998 die Initiative ergriffen und die Organisation UEFA gegründet. Die indigenen Völker der Wälder des Kongobeckens sind traditionell auf den Wald ausgerichtete Völker und daher abhängig von den Ressourcen des Waldes. Für sie hat der Wald mehr als nur ökonomische und ökologische Funktion. Der Wald stellt für sie die Essenz des Daseins dar. Sie desselben zu berauben, ist ein Verbrechen, ein Genozid.
Sie bewahren ungeahntes Wissen über die biologische Vielfalt des Waldes und verfügen über ein immenses Wissen im Bereich der Pflanzenheilkunde. Jedoch werden sie vielerorts von ihren angestammten Territorien für öffentliche Zwecke vertrieben (Schaffung von Schutzgebieten, Holzeinschlagkonzessionen, Bergbaukonzessionen etc.), ohne dass sie zuvor konsultiert oder entschädigt würden.
Wissenschaftler sprechen von Naturkatastrophen auf der Welt aufgrund des Klimawandels und es gibt einen Aufruf an alle, die Umwelt zu schützen. Indigene Völker (ohne Diploma) hatten schon lange vorher verstanden, dass es des Schutzes der Umwelt bedarf. Man spricht von verschiedenen Strategien den Planeten zu retten, darunter der Kohlenstoffmarkt und Emissionsrechtehandel. “Wir glauben nicht, dass dieses System den Planeten wirklich retten wird, solange die Industriellen nicht ihre Emissionen reduzieren und Staaten nicht das Ausbluten durch die Entwaldung in ihren eigenen Ländern stoppen wollen!”
Asien, Nepal: Pasang Dolma Sherpa
Pasang Dolma Shepa gehört zu dem indigenen Volk Sherpa in Nepal, welches 0,68% der Gesasmtbevölkerung ausmacht. Sie ist nun nationale Koordinatorin des Klimawandels und REDD-Partnerschaftsprogramms der Napel Federation of Indigenous Nationalities.
Über die letzten 30 Jahre sind die Temperaturen in Nepal um 1,8° gestiegen. Mehr als 70% der Bevölkerung Nepals sind vom Ackerbau, der Viehwirtschaft und den natürlichen Ressourcen abhängig. Der Wald wird hauptsächlich für Nutzholz, Feuerholz, Viehfutter, Laubstreu und medizinische Zwecke genutzt. Traditionelle indigene Nutzungen basieren auf einer symbiotischen Beziehung mit dem Wald, ihren kulturellen und spirituellen Werten. Diese sind sehr umweltfreundlich und wichtig für die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes. Daher haben die Degradierung des Waldes und die Entwaldung sowie der Klimawandel schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensweisen der indigenen Völker, insbesondere Frauen.
Indigene Mütter- und Frauengruppen sind sich der Bedeutung des Schutzes der spirituellen Wald- und Wasserresourcen bewusst und pflanzen daher Bäume um die Wasserquellen, Brunnen, Teiche, Seen und Flussufer und sie erhalten sie intakt. Es gibt einige Gruppen von gemeinschaftlichen Waldnutzern, die ausschließlich von Frauengruppen geleitet werden, denn sie waren erfolgreicher beim Schutz des Waldes und der biologischen Vielfalt. Frauengruppen haben auch das Speichern von Regenwasser während der Regenzeiten, die Verwendung von Biogas und Verbesserung von Kochstellen, die Nutzung von Solarenergie für Licht und biologische Landwirtschaft in ihren jeweiligen Dörfern vorangetrieben.
Pasangs Botschaft:
Im Rahmen des nachhaltigen Schutzes und der Bewahrung des Waldes sollten die betreffenden Regierungsinstituitionen das umweltfreundliche, traditionelle indigene Wissen, Erfahrung und kulturelle Praktiken respektieren. Umweltfreundliche indigene Völker sind diejenigen, die zu Opfern werden, obwohl sie nicht einmal zum Ausstoß von CO2 beigetragen haben.
Südamerika, Ecuador: Jenny Luz Chuje Gualinga
Sie ist aus Puyo in der Provbinz Pastaza im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Sie gehört zum indigenen Volk der Kichwa - Shiwiar. Sie arbeitet als Expertin in der weiblichen Führung der CONAIE - der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors.
Für die Frauen der indigenen Völker Amazoniens bedeutet das Territorium, oder SUMAK ALLPA, nicht nur “gutes Land”, sondern auch die heilige Beziehung zur Pachamama, die verstanden wird als die, die UKUPACHA (die untere Welt), KAIPACHA (die diesseitige Welt) und JAWA PACHA (die obere Welt) in sich vereinigt. “Der Wald hat seine Gesetze und Regeln und wir lernen von ihm, um respektvoll, in Harmonie und in stetiger Erneuerung zu leben.” Den Kichwa-Frauen Amazoniens wurde gemäß der traditionellen Religion von der Fruchbarkeitsgöttin NUNGULLY die Kraft der Produktivität in Überfluss gegeben. Sie vermittelte ihnen auch die heiligen Riten und Gesänge zur Aussaat und die Fähigkeit, mit ihr über die Träume zu kommunizieren.
Aus Sicht der Kichwa-Frauen von Pastaza wird der Klimawandel von der modernen, westlichen makroökonomischen Entwicklungspolitik verursacht, welche sich als pervers und mit dem ökologischen gleichgewicht absolut inkompatibel erwiesen hat. … Wenn es für das Wachstum in wirtschaftlicher Hinsicht notwendig ist, den letzten Baum von der Erdoberfläche zu entfernen und die nicht erneuerbaren Rohstoffe bis zur Erschöpfung zu extrahieren, hat das Konzept der Entwicklung keine logischen Hemnisse.
Deshalb müssen wir die Konzepte von Moderne, Entwicklung und ökonomischen Wachstum aus modern-westlicher Sicht zugunsten eines neuen Vorschlags einer nachhaltigen und tragbaren Entwicklung überwinden. Die Entwicklung, die ein respektvolles Dasein gegenüber der biologischen Vielfalt sowohl vorzieht als auch garantiert und das ökologische Gleichgewicht harmonisiert.
“Die indigenen Völker, wir indigenen Frauen, besitzen das philosophische Wissen um die Nutzung und den Umgang mit der biologischen Vielfalt.” Wir bewahren dieses Jahrtausend-Erbe, welches von unseren Vorfahren kommt und welches wir mit dem Rest der Menschheit teilen möchten:
Ein alternatives Entwicklungsmodell, ein ökonomisch wirtschaftliches Entwicklungsmodell, das kulturell anwendbar und mit dem ökologischen Gleichgewicht des Planeten vereinbar ist. “